Der Lilith Code - Thriller by Martin Calsow

Autor:Martin Calsow
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: Aufbau Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

Berlin, 21. 06., 3.45 Uhr

Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d. h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.

Karl Marx, Friedrich Engels »Die deutsche Ideologie« (MEW 3)

Elijah war erstaunt, was der Syrer so alles vertrug. Sie hatten erst die Weinbestände geleert. Und Faruk hatte darauf hingewiesen, dass er keinesfalls gläubiger Muslim war und deshalb jedes Recht auf den Genuss des guten Rotweins des abwesenden Hausherrn besaß. Elijah solle sich an den billigen Fusel halten, den er mit Jan im Supermarkt gekauft hatte. Schließlich sei er das ja aus Israel gewohnt. Es entspann sich eine Diskussion über die Qualität des Weins aus Galiläa, am Ende tranken alle alles. Regina hatte sich immer schon in solchen reinen Männerrunden wohlgefühlt. Sie kannte von Kindheit an nichts anderes. Drei Brüder, die Mutter war früh gestorben, und ein ewig grimmiger Vater hatten sie früh widerstandsfähig gegen jedwede Form der Belästigung und Demütigung gemacht. Danach die Jahre bei der Sondereinsatztruppe Kobra, wo sie als Frau als exotisch galt. Jan war als Mediziner Nachtschichten gewohnt, und auch das Zechen war ihm nicht fremd. Während seiner Studienzeit hatte ihn sein Vater in eine studentische Burschenschaft genötigt, die auch schon er selbst und dessen Vater durchwandert hatten. Dort gehörte der regelmäßige Suff zum guten Ton. Jan war dieser Welt nach dem Studium schnell entflohen. Zuviel Gehabe, dummes Gerede und Deutschtümelei, wie er fand.

Trotz der Sirenen, die ständig durch das geöffnete Küchenfenster drangen, hatten sich die vier in Ruhe Reginas Theorie angehört.

»Nehmen wir an, dass es zwischen der Pressekonferenz und der Ausrufung der Arabischen Union einen Zusammenhang gibt. Als Grund können wir vermuten, dass jemandem der Kurs der Araber nicht gefällt. Du, Elijah, schließt euren Staat als Drahtzieher aus, die Gründe sind sogar für Jan schlüssig.«

Jan verdrehte genervt die Augen. Während des Essens hatte er seine Sicht dargestellt, und dabei war Israel nicht wirklich gut weggekommen.

Elijah hatte sich das eine Zeitlang angehört und dann fast wütend darauf geantwortet. »Ihr Deutsche glaubt, weil ihr sechs Millionen von uns getötet habt, seid ihr ausgewiesene Nahostexperten von Geburt an. Immer meint ihr, euren Senf zu unserer Politik oder der der Araber geben zu müssen. Woher nehmt ihr eigentlich diese Arroganz?«

Jan hatte ihn versteinert angesehen. »Keine Diskussion mit einem Juden ohne die Holocaust-Nummer. Das ist eure Arroganz. Ich habe den Gashahn nicht aufgedreht. Ich bin 1968 geboren. Aber eine Meinung habe ich schon zur Politik, und verbieten lasse ich es mir auch nicht.«

»Keiner will es euch verbieten, aber lässt du dich auch so über die Politik des Iran oder Pakistans oder Chinas aus? Die haben auch Atombomben, sind ebenfalls sehr gefährlich, vermutlich gefährlicher als der gesamte Nahe Osten.«

Faruk hatte sich eingeschaltet. »Zurzeit greift deine Theorie leider nicht ganz. Wir stehen wenige Minuten vor einem vielleicht noch für kurze Zeit regional begrenzten Krieg, aber der weitet sich schneller aus, als wir uns das vorstellen können. Also stellen wir fest, dass wir mit solchen Generaldebatten heute in dieser Situation nicht weiterkommen.« Er machte eine Pause, nippte an seinem Rotwein.

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